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Mit Sense und Harke Blütenpracht schaffen

Neulich habe ich mal wieder Heu geharkt, an einem sonnigen Samstagmorgen im Juni. Es war anstrengend und schweißtreibend, aber ich war trotzdem hoch motiviert, denn mein Einsatz galt der mit Abstand schönsten Wiese von Salzhausen. Sie liegt an der Straße Witthöftsfelde, und dass sie so schön ist, liegt an Fabian und Marie vom Naturerlebniswerk Vierhöfen, die sie seit einigen Jahren fachgerecht pflegen. Zeit, eine kleine Hymne anzustimmen – auf die beiden und auf die Wiese.

Heidenelken, Labkraut, Margeriten, Flockenblumen, Wiesen-Bocksbart, Moschusmalve, Königskerze – das sind nur eine Handvoll der gut drei Dutzend Kräuter- und Gräserarten, die auf dem knapp zwei Hektar großen Areal am westlichen Ortsrand gedeihen. Diese Vielfalt ist allerdings nicht von Natur aus entstanden – auch wenn die Pflanzen, die sie bilden, alles heimische Gewächse sind.

Die Wiese bei Witthöftsfelde wurde vor etwa sieben Jahren angelegt, als Ausgleichsmaßnahme für das neu errichtete Wohngebiet südlich davon. Solche Maßnahmen schreibt das Gesetz immer dann vor, wenn ein Stück Natur bebaut, versiegelt oder sonstwie in seiner Funktion beeinträchtigt wird.

Von links oben im Uhrzeigersinn: Wiesenflockenblume mit Distelfalter, Königskerze, Schafgarbe mit Junikäfern, Spitzwegerich. © J. Romberg

Im Ausgleichsflächen-Verzeichnis der Gemeinde Salzhausen findet sich die Wiese unter der Bezeichnung „als Streuobstwiese modellierte Grünfläche“. Wer sich im Naturschutzrecht ein bisschen auskennt, weiß: Für Streuobstwiesen gibt es im Rahmen von Planungsverfahren besonders viele „Ökopunkte“, weil sie sehr artenreich und ökologisch entsprechend wertvoll sind. Deswegen lieben Bauherren und Investoren Streuobstwiesen, Feldhecken und andere wertvolle Biotope: Man kann damit auf kleiner Fläche viele Ökopunkte generieren – und so auch Eingriffe „ausgleichen“, die um ein Vielfaches mehr Fläche beanspruchen.

 

Die „“ habe ich bewusst gesetzt. Denn viele Ausgleichsmaßnahmen schützen Natur nur auf dem Papier. Um dauerhaften Ersatz für verlorene Lebensräume zu schaffen, müssen die dafür ausgewiesenen Flächen nämlich beständig gepflegt werden. Das kostet, und deshalb machen sich die dafür zuständigen Kommunen in Sachen Ausgleich gern einen schlanken Fuß. Auch die Gemeinde Salzhausen tut das.

Im ersten Jahr bot die Wiese bei Witthöftsfelde noch einen prachtvollen Anblick – dank der Wildblumenmischung, die dort gemäß den Vorgaben des Bebauungsplans eingesät worden war. Aber schon in den darauffolgenden Sommern wich die Blütenvielfalt eintönigem Grasgrün. Denn die jährliche Mahd erledigten die Mitarbeiter des Bauhofs mit demselben Gerät, das auch an Straßenrändern, Sport- und Bolzplätzen zum Einsatz kommt: einem Kreiselmäher, der den Bewuchs nicht nur auf Zentimeterhöhe rasiert, sondern das Schnittgut fein zerkleinert als Mulch auf der Fläche verteilt.

Das ist kostengünstig, aber für die Artenvielfalt verheerend. Erstens schreddern die rotierenden Mähwerke auch sämtliche Kleintiere, die im Kräuter- und Grasteppich leben, zweitens wirkt das ausgebrachte Mähgut wie eine zusätzliche Düngung – das letzte, was eine naturnahe Wiese braucht. Denn die allermeisten unserer heimischen Wildpflanzen sind „Hungerkünstler“, also an nährstoffarme Böden angepasst. Bei Zufuhr von Dünger werden sie früher oder später von „Stickstoff-Liebhabern“ überwuchert, vorwiegend schnell wachsenden Gräsern.

Die Wiese bei Witthöftsfelde im Sommer 2020 (links) und zwei Jahre danach: Die mehrfache Mahd mit dem Mulchmäher hat das blütenreiche Insektenparadies in eine monotone Rasenfläche verwandelt. © J.Romberg

Die traurige Verwandlung der Streuobstwiese am Witthöftsfelde fiel nicht nur mir auf – viele Salzhäuser fahren auf ihrem Weg zum Einkaufen oder zur Arbeit daran vorbei. Beim „Grünschnack“, dem monatlichen Bürgertreff der Hanstedt-Salzhäuser Grünen, kam irgendwann die Idee auf, die Pflege der Wiese selbst in die Hand zu nehmen. Und zwei, die dabei saßen, beschlossen, genau das zu tun.

Fabian und Marie wohnen in der Nähe der Wiese, haben ein goldenes Händchen, wenn’s um Gartengestaltung geht, und, besonders wichtig: Sie können mit einer Sense umgehen. Nichts lässt Wiesen schöner und dauerhafter blühen als ein Schnitt mit der Sense, der idealerweise in Etappen ausgeführt wird – so, dass die Tiere von der gemähten Fläche ins noch stehende Gras „umziehen“ und die Samen sich von dort wieder ausbreiten können.

Seit einigen Jahren kann man das Team „Wiesenpflege Salzhausen“ immer wieder Sense und Harken bei Witthöftsfelde schwingen sehen. (Das abgeharkte Mähgut wird von den Mitarbeitern des Bauhofs abtransportiert – als Viehfutter ist es leider wegen des hohen Hundekot-Anteils nicht verwertbar). Das Wiesenpflege-Team zählt etwa ein Dutzend Mitglieder, von denen die meisten allerdings, mich eingeschlossen, eher sporadisch im Einsatz sind. An etlichen Mähtagen sind Fabian und Marie, Helden der Arbeit, daher allein auf der Wiese.

Und wenn ich an ihnen vorbeifahre, packt mich immer das schlechte Gewissen, weil ich mich viel zu selten für meine Lieblingswiese engagiere.

Andererseits frage ich mich aber auch, weshalb die sachgemäße Pflege einer öffentlichen Ausgleichsfläche eigentlich von Ehrenamtlichen erledigt wird – und nicht von derjenigen Institution, die per Gesetz dafür zuständig ist, nämlich der Kommune.

Eine Gruppe von Leuten bearbeitet eine am Hang liegende Wiese mit Sensen, Harken und Forken.
Das Team "Wiesenpflege Salzhausen" im Einsatz. Dank des Einsatzes von Sensen und Harken können die vor Jahren ausgesäten Wildkräuter wieder durchstarten © J.Romberg

Es gibt die leise Hoffnung, dass die Verantwortlichen der Gemeinde Salzhausen künftig zumindest ein bisschen mehr in Naturschutz investieren. So habe ich um in paar Ecken gehört, dass der Bauhof eventuell einen Balkenmäher anschaffen wird. Das wäre die ideale Alternative zu den Sensen des Wiesenpflege-Teams, weil sich hochwachsendes Gras damit leichter und zugleich insektenschonend mähen lässt. Das Gerät ließe sich nicht nur auf der Wiese bei Witthöftsfelde einsetzen: Ich kenne etliche weitere Ausgleichsflächen der Gemeinde Salzhausen, die eine naturgerechtere Pflege dringend nötig hätten.

Bis es so weit ist, bleibt mir nur, Hymnen auf den unermüdlichen Einsatz von Fabian und Marie zu singen. Und gelegentlich zumindest die Harke zu schwingen (zum Sensen bin ich leider zu ungeschickt).

P.S. Falls Ihr Lust und Zeit habt, den Erhalt der schönsten Wiese Salzhausens gelegentlich zu unterstützen: Schreibt eine Mail an wiesenpflege-salzhausen(at)pm.me . Oder an uns: info(at)nabu-hanstedt-salzhausen.de Wir leiten Eure Anfrage gern weiter.  

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Kommentare: 1
  • #1

    Britta Keller (Sonntag, 13 Juli 2025 13:35)

    Moin,

    sehr schöner Beitrag, der Lust macht auf mehr.
    Ich habe gesehen, das dies ein Blog ist. Wo kann ich den denn abonnieren?

    Sonnige Grüße
    Britta