Wer etwas kaputt macht, muss es reparieren. Oder, wenn das nicht geht, gleichwertigen Ersatz schaffen. Was im zwischenmenschlichen Umgang selbstverständlich ist, gilt auch für Eingriffe in die Natur: Wer Lebensräume zerstört oder dauerhaft verändert, muss Ausgleich leisten – in Form neuer Quartiere für die betroffenen Arten. So steht es jedenfalls im Bundesnaturschutzgesetz.
Leider wird dieses Gesetz allzu oft missachtet. Das zeigt auch ein Beispiel aus unseren Gemeinden: Am Gallaberg in Salzhausen etwa liegt eine ca. 10 Hektar große Fläche, die das Bauamt als „Magerrasen“ deklariert hat; sie soll insgesamt zehn Bauprojekte der vergangenen Jahrzehnte ökologisch ausgleichen. Tatsächlich ist dieser angebliche Magerrasen eine artenarme Kraut- und Graswüste.
Aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass er demnächst – oder besser gesagt, in ein paar Jahren – so bunt und vielfältig aussieht wie das unten abgebildete Biotop. ⬇️.

„Magerrasen“ ist ein sprödes Wort, es steht aber für eines der artenreichsten Biotope, die unsere Region zu bieten hat. Denn die allermeisten unserer heimischen Wildpflanzen sind an karge, nährstoffarme Böden angepasst. Bis zur Erfindung des Ackerbaus vor rund 10.000 Jahren wurde das Land nämlich fast ausschließlich durch wilde Weidetiere gedüngt. Alles, was darauf wuchs, musste im Laufe von Millionen Jahren Evolution „lernen“, mit extrem wenig Stickstoff und anderen wachstumsfördernden Substanzen auszukommen.
Heute sprießen unsere heimischen Hungerkünstler – Blütenpflanzen ebenso wie Gräser – nur noch an extrem wenigen Stellen: sandigen Wegrändern etwa oder besonnten Böschungen. Auf allen übrigen Flächen werden sie früher oder später von schnell wachsenden „Stickstoffliebhabern“ überwuchert. Denn dank der Erfindung des Kunstdüngers und der rasant gewachsenen Viehbestände ist unsere Landschaft so nährstoffreich wie nie zuvor. Hier in der Nordheide gehen auf jeden Hektar Land, ob bewirtschaftet oder nicht, pro Jahr 17 Kilo durch Landwirtschaft und Verkehr emittierten Stickstoffs nieder – das ist mehr als das Achtfache der Menge, die von Natur aus mit Wildtierkot im Boden landen würde.

Auf diese veränderten Bedingungen muss sich auch der Naturschutz einstellen. Wer heute artenreiches Grünland erhalten will, muss es regelmäßig „aushagern“, das heißt, es jährlich mindestens einmal mähen und das Schnittgut komplett entsorgen. Das ist aufwändig und kostet entsprechend: Für die Pflege unserer NABU-eigenen Blühwiesen investieren wir jährlich mehrere Tausend Euro und viele Stunden an ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen.
Die Gemeinde Salzhausen macht es sich dagegen eher leicht mit der Pflege ihrer Ausgleichsflächen – bislang zumindest: Sie lässt sie mit Mulchmahd erledigen. Das ist fix und billig, hat aber aus Naturschutzsicht zwei gravierende Nachteile: Das kleingehäckselte, über die Fläche verteilte Schnittgut wirkt wie ein zusätzlicher Dünger, und das rotierende Schneidwerk häckselt und zerquetscht mitsamt der Vegetation auch alles, was darin lebt – Insekten, Spinnen und sogar Mäuse und Kleinvögel. Am Ende bleibt ein eintöniger Golfrasen zurück, der natürlich in keiner Weise leistet, was er laut Gesetz sollte: verdrängten Arten neuen Lebensraum bieten.
Es gibt aber Hoffnung, dass sich zumindest die Fläche am Gallaberg mit der Zeit doch noch in einen blühenden, summenden Magerrasen verwandeln wird.

Vor ein paar Tagen hat der Planungs- und Hochbauausschuss der Gemeinde Salzhausen dort eine Ortsbesichtigung unternommen – jenes Gremium, das für die Genehmigung von Bauprojekten und somit auch für die gesetzeskonforme Ausweisung und Unterhaltung von Ausgleichsflächen zuständig ist. Ich war als beratendes Mitglied des Umweltausschusses (und NABU-Mitglied) mit eingeladen, um über ein paar „basics“ naturgerechter Grünlandpflege zu informieren – gemeinsam mit Jörg Kraus, dem Bauhofleiter der Gemeinde.
Ich habe mein gesammeltes Magerrasen-Wissen aufgeboten, um die Ratsmitglieder für die Schönheit von Heidenelken, Bergsandglöckchen, Silbergras, Falter- und Wildbienenvielfalt zu begeistern. Jörg Kraus wiederum hat ein eindringliches Plädoyer für insektenfreundliches Mähwerkzeug gehalten. Und dafür, den Gerätepark des Bauhofs durch einen Balkenmäher zu ergänzen.
Typische Arten des Sandmagerrasens, von links oben im Uhrzeigersinn: Heidenelken und Sedum, Biene auf Witwenblume, Kriechende Hauhechel, Kleiner Feuerfalter auf Distelblüte. Fotos © Erhard Nerger Johanna Romberg, Christoph Buchen, Erwin Hangmann. Alle /NABU.
Wir haben, hoffe ich, ein paar Funken gezündet den Zuhörenden. Natur braucht ja nichts so dringend wie Aufmerksamkeit und Interesse vor allem bei Leuten, die wirklich was bewegen können. Wenn beides vorhanden ist, ergibt sich effektiver Naturschutz fast von selbst.
Zu denen, die was bewegen können, gehören natürlich nicht nur politisch Verantwortliche. Auch die Salzhäuser Bürger und -bürgerinnen haben sich bislang eher wenig für das Thema Natur-Ausgleich interessiert. Ich nehme mich da selbst überhaupt nicht aus: Bis vor wenigen Monaten wusste ich nicht einmal, wo die meisten der gemeindeeigenen Ausgleichsflächen überhaupt liegen.
In Zukunft werde ich ein wachsames Auge auf sie haben. Und über ihre weitere Entwicklung berichten.
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